Festivalgeschichte 1995 – 2004

2004 fand Africa Alive bereits zum zehnten Mal statt – Anlass genug, einen Rückblick zu geben auf neun vergangene Festivals und ihre Geschichte.

Die Idee zu einer umfangreichen Veranstaltung, die afrikanische Kultur und Politik nach Frankfurt holt, entstand 1994 auf private Initiative einer Hand voll engagierter Idealisten und fand bald weitere Anhänger. So beteiligten sich beim ersten Africa Alive-Festival 1995 bereits mehrere an Afrika interessierte Personen, Kultureinrichtungen und -initiativen sowie afrikanische Vereine. Seitdem wird das Festival gemeinsam im internationalen Team mit großem Engagement konzipiert und durchgeführt und ist für viele zum jahresfüllenden (Ehren-)Amt geworden. Die inhaltlichen Diskussionen im Vorfeld sind durchaus kontrovers – Entscheidungen werden jedoch gemeinsam getroffen und nach außen vertreten. Dies ist eine Stärke des Festivals und garantiert die breite Vernetzung und Außenwirkung sowie die Kooperation mit vielen Drittpartnern.

Zentrales Anliegen ist von Anfang an, Afrikanerinnen und Afrikaner selbst(bewußt) zu Wort kommen zu lassen und ein lebendiges Bild von diesem Kontinent zu vermitteln, der in den Medien nur allzu oft mit Negativschlagzeilen verbunden wird.

Der Name Africa Alive ist somit Programm.
Künstlern und Kulturschaffenden aus Afrika wird ein Forum geboten, ihre Werke, Ideen und Visionen persönlich vorzustellen. Dies schafft (Frei-)Raum für intensive Begegnungen. In Rhein-Main ist das Festival inzwischen Publikumsmagnet und international als wichtiges Forum für Afrika anerkannt. So war es mehrfach UNESCO-Projekt und stand 2002 unter deren Schirmherrschaft. Neben einem Stammpublikum ziehen die Schwerpunkte jeweils neue Kreise an. Begünstigt wird dies durch die Originalfassungen und Untertitelungen sowie die Übersetzung aller Veranstaltungen. So leistet das Festival einen wichtigen Beitrag zur Integration im multikulturellen Rhein-Main-Gebiet.

Das breite Spektrum der Veranstaltungen über zwei bis drei Wochen umfaßt Filme, Videos, Lesungen, Ausstellungen, Politische Foren und Konzerte. Hautnah vermitteln die Gäste afrikanische Lebenswirklichkeiten – und dies nicht nur gegenüber einem erwachsenen Publikum. Seit Beginn ist das überaus beliebte Kinderfest wichtiger Bestandteil. Das Deutsche Filmmuseum und die Ton- und Bildstelle der EKHN bieten darüber hinaus Filmveranstaltungen für Schüler. Und seit 2002 besucht Africa Alive mit den geladenen Gästen Schulen und Uniseminare. Weit entfernt von folkloristischen Klischees beweist die Veranstaltung ein genaues Gespür für aktuelle Themen und neue Kunstströmungen. Die Podien zeigen gesellschaftliche Veränderungen auf und diskutieren neue politische Ansätze.

Aus jeweils aktuellem Anlaß setzt das Team jedes Jahr Länder- oder Themenschwerpunkte. Dabei kommt der gesamte Kontinent zu Wort. Das Filmforum Höchst legte von Beginn an den Akzent auf Nordafrika.

Parallel hierzu präsentieren das Deutsche Filmmuseum und das Filmforum Höchst das Neueste und Beste des afrikanischen Kinos: die Highlights und Preisträger des großen Festivals FESPACO in Ouagadougou/Burkina Faso. Damit leistet Africa Alive Pionierarbeit; denn nach wie vor ist der afrikanische Film in europäischen Kinos und Festivals deutlich unterrepräsentiert – und dies völlig zu Unrecht! Seit 1995 begleitet Africa Alive das Filmschaffen mehrerer RegisseurInnen und zeigt über die Jahre ihre neuen Filme:

Merzak Allouache (Algerien)
Flora Gomes (Guinea-Bissau)
Souleymane Cissé (Mali)
Dani Kouyaté (Burkina Faso)
Med Hondo (Mauretanien)
Djibril Diop Mambety (Senegal)
Mweze Ngangura (DR Kongo)
Ousmane Sembène (Senegal)
Abderrahmane Sissako (Mauretanien)
Cheikh Oumar Sissako (Mali)
Jean-Marie Teno (Kamerun)
Moufida Tlatli (Tunesien)

Bis heute hat sich das Team seine Neugier für junge, noch unbekannte Talente aus Afrika bewahrt.
Außer in den Festivalzentren Deutsches Filmmuseum und Filmforum Höchst fanden die Veranstaltungen bislang in zahlreichen Orten und Kooperationen statt.

Jahresrückblick mit wichtigen Veranstaltungen

1995

Freude und Erleichterung bei den Initiatoren: Das erste Africa Alive Festival findet großen Anklang bei Presse und Publikum! Der Anfang ist gemacht.
Die Verbindung von Filmen, Literatur, Kunst, Musik, Politischem Podium und Kinderfest bewährt sich bereits beim ersten Mal. Africa Alive leistet Pionierarbeit: Viele der Werke sind erstmals in Frankfurt zu sehen. In einem großen Kooperationsprojekt wird in der Schirn Kunsthalle zeitgenössische afrikanische Kunst aus den Beständen des Museum für Völkerkunde präsentiert. Unter ihnen die Werke bekannter afrikanischer Künstler, wie Twins Seven-Seven und Chéri Samba. Im ersten Jahr stehen gleich drei Diskussionen auf dem Programm: Die politische Lage Afrikas in der Neuen Weltordnung, Afrikanische Filmästhetik und Selbstverschuldetes Chaos? Afrika in der westlichen Berichterstattung.
Den Mittelpunkt bildet das hochkarätige Filmprogramm u.a. mit der deutschen Premiere des ghanesischen Films Back Home Again von Robert Johnson, mit Camp de Thiaroye des weltbekannten senegalesischen Regisseurs Ousmane Sembène, Afrique, je te plumerai von Jean-Marie Teno (Kamerun) und Med Hondos (Mauretanien) La Reine Sarraounia. Mweze Ngangura (DR Kongo) stellt persönlich seinen Le Roi, la vache et le bananier vor. Bereits jetzt zeigt sich der hohe Anspruch von Africa Alive. Die Filme dieser bekannten Regisseure werden auch bei den zukünftigen Festivals eine große Rolle spielen.

Im Literaturhaus findet eine Lesung mit M. Dedjene-Hilletework aus Äthiopien statt. Das Kinderfest bietet Afrikanische Musik zum Anfassen und einen Film. Krönenden Abschluß bildet die Dance Night Deep in the Jungle.

1996

Anläßlich der brutalen Ermordung des nigerianischen Aktivisten und Schriftstellers Ken Saro Wiwa und der „Ogoni Nine“ veranstaltet Africa Alive im Philanthropin unter dem Titel Afrika im Umbruch zum Länderschwerpunkt Nigeria einen Diskussionstag mit anschließendem Literatur- und Musikabend. Das Interesse daran ist enorm und der Abend so gut besucht, daß ein Teil des Publikums auf dem Boden Platz nehmen muß! Unter dem Motto Die Kraft, auf die Zukunft zu vertrauen liest Dagmar Casse vom Freien Schauspiel Ensemble übersetzte Texte dreier Generationen von Schriftstellern: von Aimé Césaire, dem großen Poeten und Politiker der Négritude, von Ken Saro Wiwa und von Muepu Muamba (DR Kongo/Zaire) sowie Alain Patrice Nganang (Kamerun). Muamba und Nganang, beide Teammitglieder, rezitieren ihre Gedichte auch in Französisch. Mbayo-Martins (Nigeria), ebenfalls im Team, und Riad Kheder (Irak) bestreiten den musikalischen Teil. Die Kraft auf die Zukunft zu vertrauen ist auch Titel der im Deutschen Filmmuseum gezeigten Dokumentation von E. Placy und A. Thébia Melsan über Aimé Césaire.

Ebenfalls zum Länderschwerpunkt zeigt Africa Alive mehrere Filme des bekanntesten nigerianischen Regisseurs, Ola Balogun, sowie die Ausstellung Kunst aus Oshogbo von nigerianischen Künstlern, die als „Oshogbo-Schule“ bekannt wurden – unter ihnen so bekannte Namen wie Twins Seven-Seven. Zwei Künstler sind zur Vernissage anwesend.

Neben Nigeria sind der Maghreb und Frauen in Afrika zentrale Themen.

Von der bekanntesten tunesischen Filmemacherin Moufida Tlatli wird der bestechend schöne Film Les Silences du palais gezeigt. Wanjiru Kinyanjui aus Kenia stellt gleich mehrere Filme vor. Und Youssef Chahine, „das filmische Gedächtnis Ägyptens“, zeigt als moderne Bibeladaption Al Mohager (Der Auswanderer) mit Michel Piccoli.

Bei der Europapremiere der Rohfassung von La Colline oubliée, dem überhaupt ersten Film in berberischer Sprache, im ausverkauften Filmforum Höchst sind der algerische Regisseur A. Bouguermouh und sein Produzent A. Abdesslam anwesend. Chenjerai Hove, engagierter Autor aus Zimbabwe, liest im Buchladen & Café Ypsilon aus seinem Stadtgeflüster. Die Schwarze Frauengruppe Frankfurt lädt zu Film- und Diskussionsveranstaltungen.
So diskutieren im Literaturhaus Aminata Sow-Fall und Ntyugwetando Angèle Rawiri über Afrikas Frauen an der Feder.

Zum musikalischen Höhepunkt wird die African Dance Night Get yer Jujus out! in der Brotfabrik mit der Königin des Mbira, Stella Chiweshe, und ihrer Band aus Zimbabwe. Chiweshes Poparrangements machten sie weltweit bekannt.

1997

Verschnaufpause nach den beiden ersten Festivals. Small is beautiful! Da FESPACO nur zweijährig stattfindet, bietet Africa Alive dieses Jahr ein Interimsprogramm aus Südafrika und seinen Nachbarstaaten. Das Museum für Völkerkunde zeigt im Deutsches Filmmuseum Karikaturen des Südafrikaners George Msimang. Auf dem Fest im Filmmuseum sowie in der Brotfabrik spielt die Donald Kachamba-Kwela Band aus Malawi Kwela Music. Marcel Odenbach präsentiert eine Südafrika-Videoinstallation. Im Deutsches Filmmuseum und Filmforum Höchst läuft eine Reihe großartiger Filme aus Südafrika und Zimbabwe: Spiel- und Dokumentarfilme, die im britischen Exil kurz vor dem Ende der Apartheid entstanden oder seit Mandelas Wahl zum Präsidenten 1994/95 gedreht wurden. Darunter als deutsche Premieren die Komödie Soweto Green von David Lister und Ingrid Sinclairs Flame eine Hommage an die Heldinnen der Unabhängigkeit Zimbabwes.

1998

Africa Alive hat sich inzwischen etabliert und wartet wieder mit einem großen Festival und zahlreichen Gästen aus Afrika auf. Neue Locations kommen hinzu.

Balufu Bakupa-Kanyinda (DR Kongo) stellt persönlich seinen Film Le Damier – Papa National Oyé vor – die meisterhaft erzählte Parabel vom Präsidenten, der allnächtlich mit einem Mann von der Straße in seinen Gemächern Schach spielt. Tableau Ferraille (Moussa Sene Absa, Senegal) besticht durch Farbenpracht, Musik und Frauenchor. Von Safi Faye (Senegal), einer der wichtigsten Regisseurinnen Afrikas, läuft Mossane.

Schwerpunkte sind Afrikaner/innen im Exil und das Horn von Afrika. Seit der Gründung Eritreas 1993 kommt es dort erneut zu größeren Konflikten.

Auf eine Tour de planète führt der Literatur- und Musikabend mit sechs Exil-AutorInnen (Aicha Bouabaci, Hassouna Mosbahi, Muepu Muamba, Uche Nduka und Godwin Ede sowie Alain Patrice Nganang) und dem irakischen Musiker Riad Kheder im Philanthropin.
Die Ausstellung mit farbexpressiven Pappmaché-Skulpturen des äthiopischen Künstlers Mickael Bethe-Sélassié in der Plaza der Commerzbank trägt denselben Titel. Eröffnet wird sie mit eritreischer Musik und Tanz von Beles, einer Gruppe junger eritreischer Europäer aus Frankfurt. Ganz anders die Gemälde von verängstigten Menschen, die Salaheldin S. Bakheit (Sudan) im Deutsches Filmmuseum unter dem Titel Das verletzte Tabu präsentiert.
Ernüchternd ist auch der Titel des Diskussionstages: Vom kalten Krieg zum Kulturkrieg: Wo bleibt die Selbstbestimmung der Afrikaner? Der Algerientag informiert mit Podium, Poesie, Musik und Videoprogramm über Algerien heute – Realität und Zukunftsperspektiven.

Die Lesungen bestreiten Abdellatiif Laâbi aus Marokko, der in Un continent humain seine Erfahrung im Exil und den gescheiterten Versuch, in die Heimat zurückzukehren, beschreibt und Nuruddin Farah aus Somalia, einer der bedeutendsten englischsprachigen Autoren. Er liest aus den Romanen Maps und Secrets. Sie gehören zu seiner dreiteiligen „Geographie physischer, psychischer und kosmischer Landkarten und Seelenzustände“. 1970 war Farah aufgrund seiner Kritik an der Militärdiktatur ins Exil getrieben worden.
„Wenn Heimat so etwas wie das Zentrum des Lebens meint, dann ist das Schreiben mein Zuhause.
Der Paß dafür läuft niemals ab.. .. .“ (Nuruddin Farah)

Doppeldeutig ist die Reihe Afrikaner im Exil im Filmforum Höchst zu verstehen: Sie zeigt sowohl das Leben in der Diaspora, als auch im Exil gedrehte Filme. Der Mauretanier Med Hondo stellt u.a. seinen Film West Indies über den Sklavenhandel zu den Antillen vor; und Samir und Mognis Abdallah von der Agence IMMedia zeigen La Ballade des sans-papiers. Als Hörspiel läuft Der Häftling von Wole Soyinka.

Das Deutsche Filmmuseum widmet Souleymane Cissé aus Mali eine Retrospektive und lädt dazu den großen Altmeister des afrikanischen Films ein. Im Programm Horn von Afrika läuft unter anderem in Anwesenheit des Regisseurs Yemane Demissie (Äthiopien) Tumult über den gescheiterten Versuch, Haile Selassie zu stürzen.

Der Jugendclub Get Alive Frankfurt stellt sein Austauschprojekt mit Ghana vor.

Neben Tonbildschau, Trommelpercussion und Film bietet das bombastische Kinderfest eine Lesung mit dem Kinderbuchautoren Meshack Asare. Das Abschlußkonzert bestreiten Mfa Kera und Black Heritage mit Ethno-Techno.

1999

Fünf Jahre Africa Alive! Um dies gebührend zu feiern, vereint das Programm die beiden populärsten Medien Afrikas: Musik & Kino. Das Eröffnungsfest steht mit der Fotoausstellung Griot, sing uns eine Geschichte!, Livemusik des Koraspielers Aziz Kuyateh und Cheikh Oumar Sissokos Film Guimba im Zeichen der Griots. Im Deutschen Filmmuseum führen ExpertInnen in die Musikfilme, Musikerportraits und Spielfilme ein. Diese greifen die afrikanische Tradition auf, mit Musik Geschichten zu erzählen. Mweze Ngangura (Zaire/DR Kongo) zeigt seine Komödie La Vie est belle! mit Papa Wemba, dem König des Soukouss. Themenabende widmen sich den ersten südafrikanischen All Black-Filmen Donald Swansons und dem African Pop und Punk. Moussa Sene Absa stellt seinen Funk & Soul-Film Ça twiste à Poponguine vor, und Jean-Pierre Bekolos Quartier Mozart ist vom Hip Hop der Jugend in Duala geprägt.
François Woukoaches legendärer poetischer Dokumentarfilm Asientos verweist auf die musikalische Verbindung zur Diaspora.

Die Hommage gilt dem kurz zuvor verstorbenen enfant terrible des afrikanischen Kinos: Djibril Diop Mambety. Sein erfrischendes Road Movie Touki Bouki begeistert das Publikum.
Mit dem Musiker Fanick präsentiert sich das Kinderfest Rund um das Ballaphon.

Aus aktuellem politischen Anlaß sind das Programm und die Podiumsdiskussion im Filmforum Höchst Algerien gewidmet. Der weltweit dritte Film in berberischer Sprache, La Montagne de Baya, ist hier als deutsche Premiere zu sehen sowie Gillo Pontecorvos Klassiker Schlacht um Algier.

In Zusammenarbeit mit hr2 findet in der Brotfabrik ein Konzert von Al-Ustadh Zein l’Abdin Alamoody mit klassischen Swahili Songs und Instrumental Music aus Kenia statt.

2000

Kitty Vincke, Mitbegründerin von Africa Alive und Leiterin des Kino des Deutschen Filmmuseums, stirbt nach schwerer Krankheit am 2. Dezember 1999 im Alter von 38 Jahren. Das Team ist geschockt und trauert um sie. Unermüdlich hatte sie sich stets mit viel Freude für den afrikanischen Film eingesetzt.
Africa Alive 2000 ist ihr gewidmet.

Das Festival ist inzwischen von einem anfänglich 16tägigen Programm auf 23 Tage angewachsen. Mit dem Schwerpunkt auf der Afrikanischen Diaspora (Kuba, Haiti, U.S.A., Großbritannien u.a.) verläßt es thematisch erstmals den afrikanischen Kontinent. Erstmals zeigt Africa Alive Fotos: Ja taa – Bilder mitnehmen macht einen Querschnitt durch die 3. Afrikanische Fotografie-Biennale ‘98 in Bamako/Mali. In Zusammenarbeit mit dem Museum für Völkerkunde werden Tagewerke – Bilder zur Arbeit in Afrika ausgestellt. Die Anwaltskanzlei in der Höhenstraße präsentiert unter dem Titel Haiti Chéri – Haiti Tristès Werke haitianischer Künstler.
Die Lesungen stellen mit Fred d’Aguiar (Guayana) und Gil Tucker zwei Schriftsteller aus der Karibik vor.
Zum Eröffnungskonzert im Neuen Theater Höchst spielen Ismael Seck & Ak Jam (Westafrika).
Zum Abschlußkonzert lädt Tiharea aus Madagaskar.

Das Filmprogramm gibt Einblicke in Politik und Potentatentum: Unter Anwesenheit des Hauptdarstellers Stiti eröffnet Africa Alive mit Silmandé, der von den schwierigen Beziehungen zwischen Libanesen und Afrikanern erzählt und in Abidjan einen Skandal auslöste. Chef! von Jean Marie Teno analysiert Macht und Gewalt in Kamerun. Mobutu, roi du Zaire des Belgiers Thierry Michel zeichnet das Leben des Diktators bis zu seinem Sturz 1997. Djibril Diops Mambetys (Senegal) Kurzfilm Le Franc erzählt humorvoll von den Wirrungen um Maringo und sein Los der populären Staatslotterie. Mit La Petite Vendeuse de soleil zeigt Africa Alive den letzten Film des 1999 verstorbenen Regisseurs.
Der FESPACO-Preisträger Mweze Ngangura (DR Kongo) stellt seinen Pièces d‘Identités vor. Publikumsliebling wird das farbenreiche Roadmovie TGV Express von Moussa Touré (Senegal) – ein Mikrokosmos der modernen afrikanischen Gesellschaft.

Beide Kinos bieten ein umfangreiches Programm mit historischen und aktuellen Filmen zum Thema Diaspora.
Hochpolitisch zeigen sich ebenfalls die Filme von Sarah Maldoror (Guadeloupe), der die Hommage gewidmet ist. Sie stellt ihre Filme selbst vor und diskutiert auf dem Podium mit dem Schriftsteller Hans-Christoph Buch und dem Soziologen Marc Auguste über Haiti und Simon Bolivar: Bedeutende Vorreiter für die Unabhängigkeit.

2001

Genau am Tag, an dem der Tod des Präsidenten der DR Kongo, Laurent Désiré-Kabila, bestätigt wird, eröffnet Africa Alive mit der Ausstellung Karikaturen und Comics aus dem Herzen Afrikas in Anwesenheit des Comiczeichners und Musikers Barly Baruti (DR Kongo), der eigene Lieder vorträgt. Hier zeigt sich einmal mehr das sichere Gespür des Teams für wichtige aktuelle Themen. Regionalschwerpunkt ist Zentralafrika und die damit verbundene Neuordnung des Kontinents. Die Podiumsdiskussion dazu ist ausverkauft. Eröffnet wird sie von Dr. Metze-Mangold, Vizepräsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, denn das Festival ist UN-Projekt des Internationalen Jahres „Dialog zwischen den Kulturen“.

Erstmals öffnet sich das Festival den modernen Kunstformen Comic, Karikatur, Video und Performance. Die Karikaturen und Comics zeichnen mit scharfer Feder aktuelle Themen wie Demokratieverständnis, Basisbewegungen, Emanzipation, Krieg und Korruption und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund.

Auch die Lesung hat das krisengeschüttelte Zentrum Afrikas zum Thema. Die Schriftstellerin Véronique Tadjo (Côte d’Ivoire) schildert in ihrem Erfahrungsbericht Imanas Schatten – Reise bis ans Ende von Ruanda eindringlich ihre Eindrücke in dem vom Krieg zerrütteten Land, in das sie 1998 innerhalb des Projektes „Ruanda: Schreiben gegen das Vergessen“ eingeladen war.
„… ce qui s‘était passé nous concernait tous. Ce n’était pas uniquement l’affaire d‘un peuple perdu dans le coeur noir de l’ Afrique. Oublier le Rwanda après le bruit et la fureur signifiait devenir borgne, aphone, handicapée. C’était marcher dans l’obscurité, en tendant les bras pour ne pas entrer en collision avec le futur.“ (Véronique Tadjo)

Der kamerunische Filmemacher François L. Woukoache, dem die Hommage gewidmet ist, stellt seine Dokumentation Nous ne sommes plus morts vor, die im Rahmen desselben Projekts entstand. Im Gepäck hat er auch ein erfrischendes Kurzfilmprogramm seiner Filmstudenten an der Uni von Kigali. Ein umfangreiches Filmprogramm widmet sich ebenfalls zentralafrikanischen Ländern.

Erstmals ist ein Regisseur aus dem Tschad eingeladen: Issa Serge Coelo, der zur Eröffnung Daresalam zeigt. Das Filmforum Höchst setzt den Akzent weiterhin auf den Maghreb und präsentiert insbesondere Filme von Frauen aus Nordafrika. In Anwesenheit der Hauptdarstellerin läuft der neueste Film der Tunesierin Moufida Tlatli, Zeit der Männer, Zeit der Frauen.

Eigens für Africa Alive konzipiert die junge Kenianerin Ingrid Mwangi ihre Video-Gesang-Performance Coloured in der Alten Nikolaikirche zum Thema Rassismus.

Das Kinderfest mit Geschichten, Musikclown, Trommeln und Kurzfilmen ist wieder unbestreitbarer Höhepunkt für die Kleinsten. Viele von ihnen stammen aus binationalen Familien.

Den Festivalabschluß bildet ein Konzert mit der guineischen Sängerin Sona Diabaté und ihrer Band Argile mit Mandingo-Jazz- Highlife-Funk.

2002

Mit einem großartigen Konzert des Koraspielers Tata Dindin und des Westafrica Ensembles eröffnet das Festival. Es steht dieses Mal unter der Schirmherrschaft der deutschen UNESCO-Kommission. Um dem einschneidenden Generationenwechsel in Afrika gerecht zu werden und neue Trends aufzuspüren, lautet das Motto Junges Afrika. Die nach dem Ende der Kolonialzeit geborene afrikanische Jugend ist geladen, ihre Visionen vorzustellen.

Dazu veranstaltet das Festival erstmals ein umfangreiches Schul- und Uniprogramm, das verschiedene Schultypen berücksichtigt. Lebendig und direkt diskutieren Klassen und Seminare mit den geladenen jungen Künstlern und Referenten. Sie erfahren Details über afrikanische Länder, die oft in ihrer Ausbildung kein einziges Mal auf dem Lehrplan stehen. Seitdem sind die Jugendveranstaltungen wichtiger Bestandteil des Festivals.

Patrice Nganang, ehemaliges Teammiglied und inzwischen erfolgreicher Schriftsteller und Dozent in den U.S.A., ist zu einem Workshop und einer (sehr gut besuchten) Lesung in der Zentralbibliothek geladen. Er liest aus Temps de chien, 2003 unter dem Titel Hundezeiten in Deutsch erschienen. In der UNESCO-Schule Bad Homburg findet ein Südafrikatag mit dem jungen Schriftsteller Phaswane Mpe und Michael Hammon statt, der seinen Film Hillbrow Kids über Straßenkids in Johannesburg vorstellt. Mpe liest aus seinem Roman Welcome to our Hillbrow über denselben Stadtteil im Museum der Weltkulturen.

Ihre Visionen und Zukunftserwartungen diskutieren junge Referenten während des Podiums Wie bilde ich (m)ein neues Afrika? Im Foyer wurde zuvor die kleine Ausstellung Kinder schreiben für Kinder eröffnet.

Erfrischend lebendig und jung zeigt sich auch das Filmprogramm: Neben Werken einer neuen Regiegeneration werden Filme über Jugendliche präsentiert. Zu konträren Reaktionen führt der Eröffnungsfilm Dôle von Imunga Ivanga (Gabun) über eine Jugendbande. Der Hauptdarsteller Dominique Douma diskutiert im Anschluß lange mit dem Publikum. Auch andere Filme zeigen sich nicht zimperlich und präsentieren eine oft (knall)harte Jugend: Ali Zaoua (Fespaco-Preisträger 2001) erzählt von marokkanischen Straßenkindern und Jean Odoutan (Benin) vom jungen Djib in der Pariser Banlieue. Newton Aduakas Rage zeigt drei junge Männer in London, deren großer Traum es ist, eine Hip Hop-Platte aufzunehmen. Branwen Okpakos Dreckfresser rekonstruiert die ungewöhnliche Geschichte des schwarzen sächsischen Polizisten Sam Meffre.
Die schockierenden Filmbilder irritieren. Sie werfen die (moralästhetische) Frage auf, inwieweit Afrikas Realität adäquat wiedergegeben ist. Jedenfalls sind (die gewohnt ruhigen) Blicke auf Afrikas prachtvolle Landschaft und dörfliche Geschichten nicht Thema dieser „Jungen Wilden“.

Die Ausstellung Kin Pression holt Impressionen aus der Millionenstadt Kinshasa ins Deutsche Filmmuseum. Die beeindruckenden Werke junger kongolesischer Fotografen zeugen vom täglichen Überlebenskampf der Menschen in der schwierigen Umbruchphase des Landes. Im Neuen Theater Höchst sind unter dem Titel Schatten des Lebens Arbeiten von Oluwagbemiga Ogboro-Cole zu sehen. Bei der Vernissage macht der junge nigerianische Künstler durch eine Kunstaktion als Sandwich-Man auf globale Gewalt und Ungerechtigkeit aufmerksam.

Zum Abschlußkonzert im Höchster Bikuz mit A. Kouyateh, S. Camara, Ismael & Pap Seck und der anschließenden Reggaeband Movements of Jah People wird bis zum frühen Morgen getanzt.

2003

Auf dem Programm steht das sogenannte Lusophone Afrika. So fragt das Podium: Afrikanische Renaissance – ein neuer Anfang? und stellt die Situation Angolas nach dem Tode des Unitáführers Savimbi in den panafrikanischen Kontext.

Neue Konzertspielstätte wird die Jugendkulturkirche St. Peter. Dunyabélé aus Guinea Bissau und Jovens do Hungo aus Angola bringen das Gotteshaus mit afrikanisch-brasilianischen Rhythmen zum Schwingen.

Zur zweifachen Ouverture im Deutschen Filmmuseum mit Vernissage und Film sind der Maler Braima Injai (Guinea-Bissau) und der senegalesische Regisseur Mansour Sora Wada mit seinem Preisträgerfilm Prix du pardon anwesend. Injais Gemälde finden trotz der Zerrissenheit der abgebildeten Welten zum gemeinsamen Impetus: Débloquer le coeur – Um der Hoffnung willen
„Notre culture du 21ème siècle se construit au croisement de l’art traditionnel et de l’art moderne, plus encore, c’est du choc de nos cultures que naissent de nouvelles formes d’expression : ainsi l’artiste que je suis, se situe aux points de rencontre de la littérature, du cinéma et du design…de fait tous les métissages sont synonymes de fécondité. Aujourd’hui ma démarche porte sur l’infini des fonds profonds, du bleu des mers et des cieux.“ (Braima Injai).

Dieses Mal bestreiten zwei charismatische Autorinnen das Literaturprogramm: die angolanische Lyrikerin Ana Paula Tavares und Lilia Momplé aus Mosambik.

Unter dem Motto Trotz alledem zeigt der prominente mosambikanische Fotograf Sérgio Santimano den Lebensmut der Menschen nach den Kriegswirren des Landes. Die Ausstellung führt die Tradition von Africa Alive fort, afrikanische Fotografie bekannt zu machen, die im Westen ansonsten kaum bekannt ist. Afrika dient hierzulande eher als dekoratives Fotoobjekt oder Background.

Die Filmabende liefern einen Querschnitt durch das lusoafrikanische Filmschaffen, das mit größeren Problemen zu kämpfen hat als Mali oder Burkina Faso. Zu sehen sind u.a. Filme seines populärsten Vertreters, Flora Gomes aus Guinea-Bissau.
Von Ousmane Sembène läuft der den Frauen Afrikas gewidmete Faat Kine. Zu Gast ist der Schauspieler Djolof Mbengue mit L’Afrance über den Senegalesen El Hadj, der ohne Aufenthaltserlaubnis in Paris zurechtkommen muß.
Das Filmforum Höchst setzt den Akzent erneut auf Nordafrika. In Rachida der Algerierin Yamina Bachir Chouik wird die junge Lehrerin Rachida von Islamisten angegriffen, als sie ohne Schleier unterwegs ist.
Merzak Allouache (Frankreich/Algerien) meldet sich mit seinem neuen Film L’Autre Monde zurück: Die junge Pariserin Yasmina reist auf der Suche nach ihrem Bruder in ihr Herkunftsland Algerien und erlebt – eine andere Welt. In Little Senegal des Algerienfranzosen Rachid Bouchareb begibt sich Aloune auf die Spuren seiner Vorfahren nach New York und wird dort mit den gravierenden Unterschieden zwischen Afrikanern und Afroamerikanern konfrontiert. Auch in Abderrahmane Sissakos neuem Film Heremakono – En attendant le bonheur, bestechend durch seine ruhig schönen Bilder und eine gehörige Portion Humor, spielt das Reisen zwischen den Kontinenten – hier Afrika und dort Europa – eine (Haupt-)Rolle.

Einige Ereignisse: 1995: 100. Jahrestag der „Berliner Konferenz“ (Koloniale Aufteilung Afrikas)
1996: Ermordung von Ken Saro Wiwa und den Ogoni Nine in Nigeria
1997: Sturz von Mobutu sese Seko. Laurent Kabila ergreift die Macht. Zaire heißt ab jetzt „Demokratische Republik Kongo“
1998: Großdemonstrationen in Frankreich für die Sans-Papiers („ohne Papiere“). Offener Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea. Ende der Militärdiktatur in Nigeria
1999: Referendum „Concorde Civile“ unter Abdelaziz Bouteflika in Algerien
2000: Erster EU-Afrika-Gipfel in Kaire
2001: Die OAS wandelt sich zur African Union (AU). Attentat auf Laurent Désiré Kabila. Nachfolger wird sein Sohn Joseph
2002: Tod des angolanischen Unitá-Führers Jonas Savimbi
2003: 4. April: Angola feiert nach 30 Jahren Krieg den ersten Nationalfeiertag im Frieden. Offizielles Ende des Kongo-Krieges.

Veranstaltungsorte:
Afroton-Kulturprojekte
Alte Nikolaikirche
Altes Rathaus Seckbach
Anwaltskanzlei Höhenstraße
Bikuz, Höchst
Buchladen & Café Ypsilon
Bürgerhaus Bornheim
Christuskirche, Beethovenplatz
diebrotfabrik
Deutsches Filmmuseum Frankfurt
Dominikanerkirche
Filmforum Höchst
Galli Theater (Titania)
Gaststätte Savanne, Höchst
Haus der Evangelischen Kirche
Jakob-Spener-Haus
Johann Wolfgang von Goethe-Universität
Jugendhaus Heideplatz
Jugendkulturkirche St. Peter
Literaturhaus Frankfurt
Museum der Weltkulturen
Neues Theater Höchst
Philanthropin/Freies Schauspiel Ensemble
Plaza der Commerzbank
Schirn Kunsthalle
Ton- und Bildstelle der EKHN
Zentralbibliothek Frankfurt
– darüber hinaus verschiedene Schulen in Rhein-Main –

Institutionen/Vereine, die (neben Einzelpersonen) im Team von Africa Alive waren oder sind:
Africa Foundation
Afrikanischer Kulturverein
Afroton Kulturprojekte
Beles – Junge eritreische Europäer
Deutsches Filmmuseum Frankfurt
diebrotfabrik
Dialog International
Die Brücke
Filmforum Höchst
Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika
Guinea-Bissau Nubia Kulturzentrum
Nigerian Community
Nordafrika Verein
Novo Politik-Magazin
Schwarze Frauengruppe Frankfurt
Ton- und Bildstelle der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau